Kennt Ihr das? Ihr kommt auf einer Reise an einem Ort an, und möchtet sofort nie wieder weg? So ging es uns, als wir aus unserem Mietwagen im Hof des Il Borgo del Balsamico am Rande des kleinen Städtchens Albinea ausstiegen. Inmitten von Weinbergen liegt ein riesiger Park, ein Gutshaus, dahinter eine alte Villa, alles leicht in Nebel gehüllt, fast wie aus einem Film …
Il Borgo del Balsamico
Das historische Anwesen “Il Borgo del Balsamico” ist eine alte „Acetaia“, ein Platz, wo der berühmte Aceto Balsamico di Modena beziehungsweise der Aceto Balsamico di Reggio Emilia traditionell hergestellt wird und liegt in der Nähe von Reggio Emilia. Die Schwestern Crotti, Cristina und Silvia, produzieren hier heute noch Aceto nach Jahrhunderte altem Rezept und haben zudem in Guthaus und Villa ein Bed and Breakfast „Le Dimore del Borgo“ eingerichtet; hier durften wir vier Tage verbringen.
Gästehaus und Acetaia
Cristina, der kreative Teil des schwesterlichen Duos, nahm uns auch gleich herzlich in Empfang und führte uns zu unserem unglaublich schönen Zimmer „Boule de Neige“ in der Villa. Unten wohnt noch „Mamma“ Crotti, die Zimmer befinden sich in der ersten und zweiten Etage, es gibt überraschenderweise einen Lift. Für später verabredeten wir uns zur Tour durch die Acetaia.
So entsteht Aceto di Modena
Habt Ihr Euch jemals gefragt, wie der traditionelle Aceto di Modena (PGI – Protected Geographical Indication) hergestellt wird, woher er seine Farbe hat und seinen unnachahmlichen Geschmack? Wir wissen es jetzt. Zusammen mir Cristina erklommen wir die Treppen im Guthaus, bis wir in der Acetaia direkt unter dem Dach landeten.
Hier stehen die „Batterie“, Sets aus jeweils sechs Fässern, die immer kleiner werden (20 bis 5 Liter). Die meisten dieser Fässer sind sehr alt, gehörten früher Familien aus der Reggio Emilia und wurden vom Vater der beiden Schwestern nach und nach aufgekauft, denn er hatte die Herstellung von Aceto als Hobby betrieben. Erst Cristina und Silvia haben begonnen, den Aceto kommerziell zu vermarkten. Die alten Fässer bestehen aus verschiedenen Holzsorten wie beispielsweise Eichen-, Kirsch-, Kastanien- oder Wacholderholz.
Für den Essig werden Trauben der Sorte Lambrusco und Trebbiano aus der Emilia Romagna oder vom eigenen Weinberg nach der Ernte zu Most gepresst und dieser dann zu Sirup eingekocht. Anschließend werden Essigbakterien zugesetzt und der Most überwintert in einem großen 224-Liter-Fass, damit die Gärung in Gang gesetzt wird. Im Frühjahr wird der junge Balsamico dann in die Fässer der Batterie gefüllt. Jedes Fass wird nur zu ca. ¾ gefüllt, damit der Essig mit der Luft reagieren kann. Die Fässer bleiben oben geöffnet, die Öffnung wird mit einem Leinentuch abgedeckt, damit der Essig atmen kann. Im Sommer steigen die Temperaturen auf dem ungedämmten Dachboden des Gutshauses stark an, so dass der Aceto pro Jahr rd. 10 % an Flüssigkeit verliert.
Im folgenden Frühjahr werden dann 10 % des Essigs aus dem größten Fass entnommen und in das nächstkleinere verfüllt, daraus dann wieder 10 % in das nächste Fass gekippt und immer so weiter, bis das Letzte, das kleine Fass, wieder die ursprüngliche Menge enthält. Auf diese Weise altert der Balsamico, wird reduziert und nimmt über die Jahre seine Farbe und Geschmack von den Hölzern der Fässer an. Zwischen 12 und 25 Jahre dauert dieser Vorgang. Resultat ist ein Aceto „extravecchio“, also besonders gealterter Essig. Jeder einzelne Essig ist einzigartig und kein Geschmack gleicht dem anderen. Der Balsamico aus dem letzten Fass wird zunächst von der Familie Crotti verkostet, bevor er vom einem Konsortium bewertet wird und ein Siegel erhält.
Die Kundschaft für dieses exklusive Produkt ist über die ganze Welt verstreut, momentan wird der meiste Aceto nach Korea verkauft. Möchte man sein komplexes Aroma in alle Facetten erleben, sollte man ihn mit einem kleinen (Porzellan!) Löffel pur genießen, z. B. gerne auch als Digestif nach dem Essen. Eiscreme, Joghurt oder Zwiebeln können mit den edlen Tropfen verfeinert werden, ein Stück Parmigiano mit diesem Aceto Balsamico ist ein absolutes Gedicht.
Verkostung
Im Anschluss an die Tour durch die Acetaia hatten wir die Gelegenheit, auch die weiteren Produkte der Familie Crotti zu verkosten: Neben den „high-end“ Essigen sind hier auch Aceti für den täglichen Gebrauch im Angebot, „Condimenti“, die weniger Säure enthalten, Essige zum Marinieren und Grillen von Fleisch, auch Apfelessige sind im Programm. Die Essige sind „invecchiato“, also mehr als 5 Jahre gereift. Alle Flaschen sind wunderbar, fast wie Parfüm, verpackt und in gekonnt designte Flacons gefüllt, ideales Mitbringsel und Geschenk für kulinarisch begeisterte Gastgeber (gerade jetzt zu Weihnachten!!!) und natürlich im Webshop der Schwestern bestellbar
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Die Geschichte des Il Borgo del Balsamico
Anschließend führte uns Cristina durch die wundervollen Zimmer und erzählte uns ein wenig über die Geschichte der Villa. Park und Villa stammen aus dem 18. Jahrhundert und sind denkmalgeschützt.
In den siebziger Jahren hat der Vater der beiden Schwestern, Renzo Crotti, das Anwesen erworben und die Villa sowie das Gutshaus modernisiert, die Beiden sind hier aufgewachsen. Renzo war Inhaber einer erfolgreichen Modefirma (Maska) und startete die Acetoproduktion bereits 1970. Die Schwestern arbeiteten in der Firma bis zu deren Verkauf in den 2000ern.
2004 entschlossen sich die Beiden, die Essigproduktion zu professionalisieren und mit der Marke „Il Borgo del Balsamico“ an den Markt zu gehen. Cristina kam dabei ihre Erfahrung im Marketing der väterlichen Firma zugute, sie ist bis heute für die Gestaltung der Verpackungen und die Vermarktung zuständig, während Silvia sich der Produktion und Verwaltung widmet, wie schon bei Maska.
Le Dimore del Borgo – das Bed and Breakfast
Bald wurde die Idee geboren, im Il Borgo del Balsamico ein Bed and Breakfast einzurichten, das „Il Dimore del Borgo“, inzwischen stehen 9 Zimmer zur Verfügung. Sie sind mit einem Mix aus antiken und zeitgenössischen Möbeln sehr stilvoll eingerichtet, ihre Namen haben sie – unter anderem – von einer der mehr als hundert Rosensorten, die sich im Park finden (z. B. Boule de Neige, Dark Lady und Reine de Violettes. Es gibt aber auch ein Zimmer Dalia oder Glicine – alle so wunderschön, wie ihre Namen!).
Die Einrichtung des Gästehauses
Möbel, Dekoration und Kunstwerke sind im typisch italienischen Landhausstil gehalten, vieles davon stammt aus Familienbesitz. Auch sehr persönliche und wertvolle Gegenstände haben ihren Platz gefunden, wie beispielsweise Reisebücher, Kunstbände, Ölgemälde sowie Fotos und Zeichnungen der frühen Kollektionen der Marke Maska. Cristinas Sammlung alter Ausgaben der „Vogue“, beginnend in den 70er Jahren, liegt zur Lektüre bereit. Eine bewusste Entscheidung, denn schließlich wollen die Crottis ihre Gäste an ihrem Leben und ihrer Familiengeschichte teilhaben lassen.
Die weitläufige Parklandschaft um die Gebäude herum bietet viel Möglichkeit, zu entspannen und die Ruhe hier zu genießen, der wunderbare Pool lädt an heißen Tagen zur Erfrischung ein.
Frühstück
Das Frühstück gibt es in der Remise im Gutshaus. Hier sitzt man vor dem offenen Tor mit Blick auf den weitläufigen, historischen Park, einfach traumhaft schön, da schmeckt der Americano gleich nochmal so gut!
Zum Frühstück werden hausgemachte, saisonale und regionale Produkte angeboten und auch hier kommen natürlich die hauseigenen Aceti zum Einsatz, z. B. zusammen mit griechischem Joghurt oder zum Rührei – und das ist glasklar: Wir werden beides nie wieder ohne Aceto Balsamico essen.
Die Lage
Il Borgo del Balsamico ist nicht nur eine traumhafte Lokation für einen Urlaub auf dem Lande in wunderbarer Natur, er liegt auch günstig, um Ausflüge in die Umgebung zu machen. Modena, Parma und Bologna sind in einer Stunde per Auto zu erreichen. Die Bahnstation Reggio Emilia AV Mediopadana ist nur 15 km entfernt, die dort verkehrenden Hochgeschwindigkeitszüge erreichen Florenz in einer, Rom in zweieinhalb Stunden. Also einfach perfekt!
Kulinarisches in der Umgebung
Als aufmerksame Gastgeber haben die Schwestern für ihre Gäste auch eine Menge an Vorschlägen für Aktivitäten zusammengestellt und als Listen auf die Zimmer gelegt, darunter auch Restauranttipps. Wir haben uns daran gehalten und sind sehr gut gefahren, so waren wir in der Cantina Garibaldi in Puianello (großartiger Wein, ungezwungene Atmosphäre, liebenswerte Betreuung), im Ca`Matilde in Quattro Castella (1 Michelinstern, hervorragendes Essen mit lokalem Esprit) und in der Piccola Piedigrotta in Reggio in Emilia (mehr als 50 Pizzen auf der Karte, von traditionell bis innovativ).
Abschließend …
… muss ich sagen, dass ich selten in einem derartig schönen und stilvollen Bed and Breakfast genächtigt habe. Die Gastfreundschaft der Crottis und all’ Ihrer Angestellten ist grenzenlos! Wer also – so wie wir – alte, historische Gemäuer liebt und sich nicht daran stört, dass das Parkett knarzt oder dass es keine Klimaanlage gibt, der ist im „Le Dimore del Borgo“ genau richtig!
Die Lage ist einzigartig, für alle Freunde der Kulinarik ist diese Gegend eine wahre Fundgrube an Köstlichkeiten. Wir hatten leider nur vier Tage und diese waren auch noch dazu total verregnet (was uns natürlich nicht davon abgehalten hat, sehr viel zu sehen!) und daher werden wir in jedem Fall nochmals wiederkommen, vielleicht im Frühling oder Sommer. Egal ob das schöne Gästehaus, die traumhafte Umgebung oder Besuche in Modena, Bologna, Parma, Mantova … es lohnt sich ungemein, eine längere Zeit in der Emilia Romangna zu verbringen (am besten mit einem Auto und großem Kofferraum, um all’ die eingekauften Leckerchen dann mit nach Hause zu nehmen!).
Hat Euch mein Ausflug gefallen? Wart Ihr eventuell auch schon in dieser Region und habt ein paar weitere Tipps? Dann hinterlasst sie doch gerne in den Kommentaren!
Ich wünsch’ Euch was!
Andrea
Danke an Cristina und Silvia Crotti vom Il Borgo die Balsamico für die Einladung zu dieser Recherche-Reise und an Girasole PR für die Vermittlung. Von den Beiden wurde zu keiner Zeit Einfluss genommen und die hier geschilderten Eindrücke spiegeln meine eigene Meinung wider.
Für diese Reise erhielt ich kein Honorar.
3 Kommentare
Torsten Wett
Das sieht so schön aus und so ein Blick hinter die Kulissen ist immer spannend! Man lernt ja nie aus – danke fürs mitnehmen.
Simone
Ich bin bereits auf Instagram mit dir mitgereist und habe deinen Reisebericht jetzt sehr genossen!
Andrea
Wie schön, das freut mich sehr, liebe Simone!